Shiatsu: Über die Kraft der Berührung – ein Interview

Das Gespräch mit Susanne Eichhammer wurde geführt und aufgeschrieben von Wiebke Semm.

Wann hat dich das letzte Mal jemand berührt? Die Rede ist hier nicht von dem letzten romantischen Film aus dem Fernsehen oder dem Liebesroman, der auf unserem Nachttisch liegt, sondern von reiner, körperlicher Zuwendung. „Das ist noch nicht lange her“ – werden sich die meisten vermutlich denken, schließlich sind wir jeden Tag mit einer Reihe von Menschen zusammen.

Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Oft sind es nur schnelle, flüchtige Begegnungen, ein kurzer Handschlag oder eine zögerliche Umarmung. In einer Gesellschaft, in der Arbeit und Leistung an erster Stelle stehen, ist die Zeit für ein intensives Empfinden des eigenen Körpers rar. Susanne Eichhammer, graduierte Shiatsu-Praktikerin und langjährige Dozentin bei campus naturalis, erklärt, wieso das problematisch werden kann.

Die Work-Life-Balance ist zwar in aller Munde, ihr entgegen steht jedoch die unrealistische Anforderung, Berufs-, Privat- und Familienleben mühelos miteinander zu kombinieren. Dies führt dazu, dass immer mehr Menschen das Gefühl bekommen, nur noch funktionieren zu dürfen. Der Run auf Seminare zur Stressbewältigung und Burnout-Prävention ist gewaltig und spricht für sich. „Eigentlich ist Berührung ganz selten geworden“, sagt Susanne. „Gerade jetzt durch Corona noch einmal verstärkt.  Die Menschen sind sehr einsam, arbeiten im Home Office, gehen ins Bett. Und das Tag für Tag.“ Zwar zwickt es hin und wieder im Rücken und auch der Nacken ist von der Schreibtischarbeit steif, doch die nächste Massagepraxis ist ja schließlich nicht weit. Schnell einen Termin gebucht, 30 Minuten müssen ausreichen. Und wehe die Schmerzen sind dann nicht weg.

Innezuhalten, sich berühren zu lassen und auf die Signale unseres Körpers zu achten, ist in der westlichen Kultur zu einem Luxus avanciert, dem die wenigsten nachkommen. Wer sich einen Termin beim Masseur oder eine Wellnessbehandlung bucht, „gönnt sich etwas“. Dabei sollten Berührungen unter sozialen Wesen das Normalste der Welt sein, meint Susanne. Wenn diese nicht gegeben sind, drohe auf Dauer der Kontaktverlust zum eigenen Körper und den eigenen Gefühlen. Als Shiatsu-Praktikerin ist es daher Susannes Job, durch gezielte Berührungen den Menschen wieder zu diesem Kontakt zu verhelfen.

Mit Shiatsu zu neuer Energie und Lebenskraft

Shiatsu ist eine Verbindung von Massage und Akupressur, die bekleidet vollzogen wird. Ihren Ursprung hat sie in der Traditionellen Chinesischen Medizin und dem Daoismus, einer chinesischen Philosophie und Weltanschauung. Die Behandlung basiert auf dem Prinzip, dass der Körper von Energieflüssen durchzogen wird. „Das kann man sich vorstellen wie Akupunkturpunkte, die verbunden werden und auf diese Weise Linien ergeben“, erklärt Susanne. „Das sind die sog. Meridiane, unterirdische Flüsse, in denen unsere Energie fließt.“ Shiatsu-Behandlungen können:

  • Spannungen und Blockaden lösen
  • das vegetative Nervensystem stimulieren
  • psychischen Stress abbauen
  • den Körper zur Selbstheilung anregen
  • Körper, Geist und Seele in Balance bringen

„Man kann die Wirksamkeit von Shiatsu also durchaus erklären, muss man aber nicht“, lacht Susanne. „Im Mittelpunkt jeder Behandlung steht insbesondere die tiefe Entspannung und diese setzt wie von allein Selbstheilungskräfte frei.“ Die Berührungen bei einer Shiatsu-Session bieten den Klient:innen viel Raum und Zeit, sich auf ihren Körper und damit auch auf ihre Gefühle einzulassen. Anders als bei der klassischen Massage oder der Physiotherapie hat Shiatsu einen ganzheitlichen Ansatz. „Wenn die Energie wieder fließen kann und die Blockaden aufgelöst sind, entstehen Impulse zu einem gesünderen Leben“, sagt Susanne, die ihre ersten Erfahrungen mit Massage und Körperarbeit bereits Ende der 1970er Jahre sammeln konnte. Nach ihrem Abschluss an der Filmhochschule in München, kam sie als Dokumentarfilmerin im italienischen Siena das erste Mal mit Shiatsu in Berührung. „Ich habe mich dann in München selber behandeln lassen und einen Einsteigerkurs gemacht. Seither ist Shiatsu meins, das habe ich einfach gespürt.“

Berührung – eine Sache der Kultur?

Während es in vielen asiatischen Ländern selbstverständlich ist, sich innerhalb der Familie zu berühren und zu massieren, konnte sich dieser Trend in westlichen Ländern nicht durchsetzen. „Gerade vielen Menschen aus der Kriegs- und Nachkriegsgeneration in Deutschland ist das Gefühl für Körperlichkeit und Zuwendung abhandengekommen“, ist Susanne überzeugt. Dieser Umstand sowie chronische Stresszustände, psychische Belastungssituationen sowie körperliche Schmerzen und Verspannungen sind es, die eine Shiatsu-Behandlung als begleitende Körperarbeitsinnvoll machen. Shiatsu erweist sich dabei nicht nur als effektiv, sondern auch als praktisch: Die Behandlung hat viele mögliche Einsatzbereiche und kann z. B. auch in der Schwangerschaft, während und nach der Geburt hilfreich sein. Zudem erfolgt die Behandlung bekleidet und ohne den Einsatz von Ölen. Zwar hat das Wohl ihrer Patient*innen für Susanne oberste Priorität, ganz uneigennützig verübt sie ihre Berufung dennoch nicht: „Mir fehlt das richtig, wenn ich im Urlaub bin und keine Klient*innen habe“, gibt sie zu und lacht. „Mir persönlich hat Shiatsu dabei geholfen, meinen Lebensweg zu erkennen, ihn anzunehmen und der Mensch zu werden, der ich sein kann und sein möchte.“

Der fließende Übergang zwischen Qigong und Shiatsu

Als Dozentin bei campus naturalis ist Susanne seit etwa fünf Jahren tätig. Dort bildet sie angehende Shiatsu-Praktiker:innen aus und gibt ihr Wissen weiter. Dabei bedient sie sich unterschiedlichster Methoden und Übungen, insbesondere auch dem Qigong. Die chinesische Bewegungsform ist ein Zusammenspiel aus bestimmten Meditations- sowie Konzentrationsübungen und bezieht ebenfalls unsere Lebensenergie, das sog. Qi, mit ein. Übersetzt bedeutet Qi Gong: „Üben mit der Lebensenergie“. Der Energiefluss wird beim Qi Gong gefördert, indem:

  • die Lebensenergie in Fluss und der Geist zur Ruhe kommt,
  • die Meridiane gezielt gedehnt und stimuliert werden,
  • subtile Meditations- und Atemübungen gemacht werden
  • und die Muskulatur gekräftigt wird.

Als Bewegungsform unterscheidet sich das Qigong dadurch vom Shiatsu, dass es selbstständig und ohne fremdes Mitwirken ausgeführt werden kann. Aus den drei Lehren Chinas, dem Daoismus, dem Buddhismus und dem Konfuzianismus sind drei unterschiedliche Stile entwachsen: Das religiöse Qi Gong, das philosophische Qi Gong und das medizinische Qi Gong. „Das regelmäßige Praktizieren von Qigong hat neben meiner Gesundheit auch mein Shiatsu beeinflusst und weiterentwickelt, deshalb praktiziere ich mit meinen Shiatsuschüler:innen auch Qi Gong“, gibt Susanne Einblicke in ihre Lehrtätigkeit. Der ganzheitliche Aspekt, nach dem der Mensch als ein Zusammenspiel aus Körper, Geist und Seele betrachtet und entsprechend behandelt wird, ist dabei ihr ständiger Begleiter.

Shiatsu bei campus naturalis: Was lerne ich?

An der Akademie erlernen die Teilnehmenden Shiatsu und Qigong in Theorie und Praxis innerhalb von sechs Monaten. In drei Blöcken wird der Fokus dabei verstärkt auf die Praxis gelegt. „Natürlich steckt hinter der Shiatsu-Lehre eine enorme Theorie, aber die muss man nach den drei Blöcken nicht perfekt beherrschen“, gibt Susanne Entwarnung. „Das Wichtigste ist die Praxis und die pflege ich ganz besonders in meinen Unterrichtseinheiten.“ Neben Wesen und Methodik der Chinesischen Medizin wie der Lehre von Yin und Yang, Anatomie, Physiologie und Pathologie stehen vor allem die Grundlagen des Zen-Shiatsu auf dem Unterrichtsplan. Auf folgende weitere Inhalte können sich die Teilnehmenden bei ihrer Ausbildung zum/zur Shiatsu-Praktiker*in freuen:

  • Basisbehandlungen im Zen-Shiatsu
  • Aufbau von Behandlungen und Gesprächsführung
  • die Arbeit aus dem Hara
  • die Hara-Diagnose
  • Meridianlehre
  • die fünf Wandlungsphasen
  • Kontraindikationen
  • innere und äußere Haltung

„Ich schätze an der Arbeit am Campus die sehr angenehme, achtsame und respektvolle Atmosphäre“, betont Susanne die gute Zusammenarbeit im Kollegium und mit den Teilnehmer*innen. Die unterschiedlichen Interessenfelder und Berufsgruppen, die an der Akademie aufeinandertreffen, empfindet sie als sehr bereichernd. „Das sind diese Momente im Leben, wo man merkt, das passt einfach.“

Susanne Eichhammer lebt und arbeitet in eigener Praxis in München, sie praktiziert und lehrt Shiatsu und Qi Gong.

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