Konferenz: New Work - Arbeitskultur im Umbruch
Kulturwandel.org
Kulturwandel-Gespräch mit Stephan Heiler | Heiler Glas
Altes Denken aufbrechen! Mit engagierten Mitarbeitern in neue Verhaltens- und Ergebnisdimensionen
Stephan Heiler ist (noch) der Eigentümer des im Jahr 2011 von seinem Vaters übernommenen Familienunternehmens Alois Heiler GmbH. Perspektivisch stellt er sich vor, die Eigentumsrechte an die Mitarbeitenden zu übertragen. Bis dahin hat er sich schonmal selbst entmachtet, indem er die Weisungsmacht der Führungskräfte abschaffte. Zwar ist er formell geschäftsführender Gesellschafter, doch werden alle Entscheidungen von den Mitarbeitenden getroffen – Heiler selbst hat sich keinerlei Veto-Recht vorbehalten.
Gehaltsmodelle mit Incentivierungen gibt es seit Jahren nicht mehr. Der Entschluss zum Wechsel in eine Struktur ohne formale Hierarchie wurde im Rahmen einer zweitägigen Veranstaltung der gesamten Belegschaft mitgeteilt und gemeinsam alltagsfähig erarbeitet. Seitdem entscheiden alle Mitarbeitenden über die weitere Gestaltung und Entwicklung des Unternehmens.
Sebastian Purps-Pardigol: Sie haben im Jahr 2014 in Ihrem Unternehmen die Weisungsmacht der Vorgesetzten abgeschafft. Wie kam es dazu?
Stephan Heiler: Ich war auf der Suche nach einer Organisationsphilosophie, die zu mir passt. Schon lange vor der Übernahme der Geschäftsführung von Heiler-Glas hatte ich mich damit auseinandergesetzt, was wird, wenn ich die Leitung übernehme. Irgendwann war klar: Es geht in Richtung Dezentralisierung. Es muss eigenverantwortlich handelnde Teams geben.
Sebastian Purps-Pardigol: Sie haben Heiler-Glas im Jahr 2011 von Ihrem Vater übernommen … was war in der Zeit bis 2014 geschehen? Haben Sie da klassisch geführt, als Chef der Belegschaft?
Stephan Heiler: Ich muss etwas früher anfangen. Ich bin seit dem Jahr 1997 im Unternehmen. Vor meiner Funktion als Geschäftsführer war ich vier Jahre als Marketing- und Vertriebsverantwortlicher dabei. Ich habe sehr viel Zusammenarbeit gelernt, und ich habe sehr viele Fehler entdeckt, die jedoch in der Welt des vorigen Vertriebsleiters eng mit dem Vertriebsleiterhandwerk verbunden sind: individuelle Zielvereinbarung, leistungsgerechtes Entgelt, ein dreistufiges Gehaltsmodell mit einer Disziplinar-Quote. Da habe ich eigentlich schon durch reines Beobachten gesehen, dass das nicht wirklich clever ist: Zum einen kann ein Mitarbeitender solche Ziele wunderbar umschiffen und zu seinem eigenen Vorteil nutzen, zum anderen sorgen diese in der Regel nicht dafür, dass der Mitarbeiter zum Wohle der ganzen Firma denkt.
Sebastian Purps-Pardigol: Präzisieren Sie das bitte: Wie konnten Mitarbeitende solche Ziele umschiffen oder für eigene Bedürfnisse ausnutzen?
Stephan Heiler: Nehmen wir an, jemand, der als gut etablierter Vertriebsmitarbeiter eingekauft wurde, hat ein Vertriebsgebiet bei Heiler übernommen. Dieser hat einen gewissen Kundenstamm, den er bedient. Er kriegt ein bestimmtes Umsatzwachstum hin, und das bekommt er belohnt – es ist ja auch sein Verdienst. Aber hinter dem Vertriebsmitarbeiter stehen ja andere, die die Aufträge zuverlässig abwickeln und dafür sorgen, dass nur gutes Material rausgeht. Die haben auch ihren Beitrag daran, aber sie werden oft nicht gesehen. Und wenn es einmal nicht mehr so läuft und ein Gebiet geht rückwärts, dann ist das in der Welt des Vertriebsmitarbeiters oft nicht sein eigenes Verschulden, sondern es sind die Reklamationsquoten, die Marktverhältnisse, die Preise der Wettbewerber – und damit fängt die Diskutiererei an. Aber es gibt nur selten den Impuls zu sagen: „Was müssen wir als gesamtes Team tun, um jetzt in Richtung Markt zu agieren – wir, die Vertriebsinnendienstkollegen, der Service, die Aufmesser?“ Denn all diejenigen, die mit der früheren Vertriebsleiterbrille eigentlich komplett vergessen wurden, sind ja ganz entscheidend für den Erfolg.