Künstler in Business-Trainings

[Facebook:like]Kunst und Coaching

Sie sind businessfremd, geradezu exotisch und bringen selten Büro- dafür oftmals Bühnenerfahrung mit. Und sie bieten vor allem eines, eine neue Perspektive. Über Künstler und Kreative in der Coachingbranche.

von Ilona Dyck, Redakteurin kursfinder.de

Erst sachte dann energischer rüttelt es an der Tür, schließlich bewegt sich der Türgriff. „Ich muss das Türschloss überprüfen.“ Eine zierliche aber energische Frau steckt ihren Kopf in den Seminarraum und steht dann im Türrahmen: „Das muss jetzt leider sein. Der wurde gerade ausgetauscht und ich muss kontrollieren, ob alles passt.“ Keine Reaktion im Raum. Jetzt zieht sie den Schraubenzieher aus der Hosentasche. Und fängt an, damit im Schloss herumzufuhrwerken. Auffällig laut. Provokant störend. „Müssen Sie das denn jetzt machen?“, die Seminarleiterin greift endlich ein. „Ja, wann soll ich es denn machen?“ „Nach dem Seminar, wenn möglich.“ Die resolute kleine Frau murmelt verärgert und zieht die Tür hinter sich zu. Wenige Sekunden später öffnet sich die Tür schon wieder. Claudia Schwartz, diesmal lächelnd, steht im Türrahmen und bekommt Szenenapplaus.

Seminarschauspielerin Claudia SchwartzFrau Schwartz ist ausgebildete Theaterschauspielerin. Seit vier Jahren gibt sie zusätzlich die wütende Kollegin, die zynische Vorgesetzte oder welche Rolle auch immer von Seminarteilnehmern oder Trainer gerade verlangt wird. Heute stellt sie sich den eingeweihten Teilnehmern als etwas übereifrige und unsensible Büro-Assistentin vor. Im Seminarraum haben sich Trainer versammelt, die ihren Kunden mehr bieten möchten – nämlich einen Schauspieler als zusätzlichen Sparring-Partner.

Die Idee zu einer Coaching-Methode mit Trainer und Schauspieler als reflektierendem Gegenpart zum Klienten kommt ursprünglich aus den Niederlanden. Bereits Ende der 70er Jahre hat man dort begonnen, Streifen-Polizisten mithilfe von Schauspielern möglichst realitätsnah auf ihre täglichen Aufgaben vorzubereiten. Ein erfolgreiches Konzept, das im Nachbarland schnell im Bereich des Business-Coachings adaptiert wurde und durch die Psychologin Wilma Pokorny-van Lochem vor neun Jahren auch seinen Weg nach Deutschland, genauer, ins ostwestfälische Vlotho gefunden hat. Im Institut Synergie werden hier seit einigen Jahren sogenannte Seminarschauspieler für das Spielen im Kontext von Coachings oder Trainings ausgebildet. Nicht jeder Bühnenschauspieler ist für diese Arbeit geeignet. Im Zusammenspiel mit den Klienten muss man sich zurücknehmen und sich seinem Gegenüber anpassen können, es nicht verschrecken, sagt Claudia Schwarz. „Wenn hier jemand leise ist, versuchst du nicht, seine mangelnde Präsenz wie auf der Bühne durch die eigene Performance auszugleichen.“

Der Seminarschauspieler ist ein Chamäleon

Seminarschauspieler werden besonders häufig für Trainings in den Bereichen Konfliktmanagement, Verkauf, im Führungskräftetraining oder auch für Assessment-Center eingesetzt. Der Schauspieler macht dann die im Training besprochenen Situationen für den Teilnehmer erlebbar, spielt beispielsweise eine Konfliktsituation im Büro nach und taucht dabei in die Rolle des Kollegen, dessen Eigenheiten, Sprechweise und Körperhaltung er vorher abfragt hat. Im zweiten Schritt spielt und spiegelt er den Teilnehmer selbst.

Seminarschauspieler im Training„Der Seminarschauspieler ist wie ein Chamäleon, er spielt nie eine vorgefertigte Rolle, sondern ist wandelbar und beeinflussbar durch das Verhalten, dass ihm vom Teilnehmer entgegengebracht wird, darauf reagiert er. Und der Teilnehmer kann sich ausprobieren an einer Person, die es ihm nicht übel nimmt“, erklärt Claudia Schwartz. In der Spiegelung seines Verhaltens soll ihm die eigene Wirkung dann greifbarer werden. Oft stößt er dabei auch auf Triggerfaktoren sowohl bei seinem gespielten Gesprächspartner als auch bei sich selbst.

Das größte Kompliment an den Schauspieler ist es dann, wenn das Gegenüber ganz in die Situation eintaucht. „Mir ist es schon passiert, dass ein Teilnehmer den Namen der Person nicht nennen wollte, mit der der Konflikt besteht. Die gespielte Situation wurde für ihn dann aber so realistisch, dass er ihm doch rausgerutscht ist“, erzählt Claudia Schwartz und man hört die Freude in ihrer Theaterstimme.

>>> Seite 2: Perspektivwechsel durch Film


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