Musiktherapie – Die Musik als Lebenselixier

Im Büro mit den Kolleg*innen Gesangspausen einlegen oder auf der Straße spontan ein Lied anstimmen? Hierzulande würde das wohl für reihenweise erstaunte Gesichter sorgen. Dabei liegt uns das Singen und die Freude am Musizieren im Blut, meint Sabine Bundschu. Als Sprechtrainerin, Dozentin und Gruppenleiterin in Sachen Stimme und Rhythmus bringt sie Menschen dazu, sich mithilfe der Musik auszudrücken. Bei campus naturalis bildet sie angehende Musiktherapeut*innen aus, die darauf spezialisiert sind, die seelische, körperliche und geistige Gesundheit anderer Menschen durch Töne und Klänge wiederherzustellen. Dass das wirklich funktioniert, hat Sabine ganz konkret am eigenen Leib erfahren.

Das Gespräch mit Sabine Bundschu, geführt und aufgeschrieben von Wiebke Semm.

Das Schicksal in die Hand nehmen

Positiv, lebensfroh und humorvoll: Diesen Eindruck erweckt Sabine mit ihrer warmen, sanften Stimme und der wilden, langen Lockenmähne. Sogar am Telefon, über das unser Gespräch stattfindet, hat sie eine ansteckende Ausstrahlung. Keine Spur davon, dass sie noch vor wenigen Jahren dem Tod haarscharf entronnen ist. Sabine hat in ihrem Leben schon einige Höhen und Tiefen durchlebt. Zu den Höhen gehören zweifelsohne die 30 Jahre Bühnen- und TV-Erfahrung, u.a. mit Persönlichkeiten wie Udo Lindenberg und Thomas Gottschalk sowie ihre Tätigkeit als TaKeTINa-Gruppenleiterin. Ihren persönlichen Tiefpunkt jedoch erlebte sie im Jahr 2014: Nach einem Schlaganfall mit Hirnblutungen war die heute 62-Jährige monatelang in einer Klinik in Amsterdam stationiert. Sie war halbseitig gelähmt, musste das Gehen neu erlernen und ihr Kurzzeitgedächtnis funktionierte nicht mehr. „So als wäre der Arbeitsspeicher im Computer kaputt, ich hatte keinen Zugriff mehr auf das, was ich vor zwei Sekunden gemacht habe“, schildert sie das Ausmaß der neurologischen Störung.

Ihr Lebenselixier: Die Musik! Egal ob als Schauspielerin, Sängerin, Moderatorin oder Sprecherin – Seitdem sie denken kann, stand die Münchnerin im Kontakt zu Musikgefilden jeglicher Art. Und auch in der schwersten Zeit ihres Lebens sollte das Musizieren und Praktizieren von Rhythmen ihr Schutzengel sein. „Ich hatte zwar mein Kurzzeitgedächtnis verloren, doch diverse rhythmischen Pattern waren noch tief in meinem Körper verankert“, erklärt Sabine. „An diesem Wissen habe ich mich wie an einem Geländer langgehangelt.“ Dass sie innerhalb kürzester Zeit wieder nahezu vollständig genesen war, führten auch ihre behandelnden Ärzte auf die intensive Beschäftigung mit der Musik und dem Rhythmus zurück.

Zurück ins Leben dank intensiver Beschäftigung mit Musik.

Was ist TaKeTINa/Rhythmuspädagogik?

In vielen Kulturen weiß man um die heilende Kraft von Musik und Rhythmus. Sie bringt Körper und Geist in Einklang, dessen ist Sabine überzeugt. Den Umgang damit lehrt sie u.a. als TaKeTINa-Gruppenleiterin seit mehr als 20 Jahren. „TaKeTINa ist eine Rhythmus-, Bewegungs- und Bewusstseinsarbeit“, definiert sie. „Die Teilnehmenden machen auf bestimmte Silben Schritte, auf andere Silben klatschen sie. Und dazu singen wir Call Response.“ Dabei erlebt sie immer wieder, wie groß die Hemmungen mancher Menschen sind, sich an das Spektrum ihrer eigenen Stimme und musikalischer Fähigkeiten heranzutasten. Bei ihren Workshops arbeitet sie mit Teilnehmenden großer Firmen wie RTL, Die Bahn, Allianz und BMW zusammen. Führungskräfte, Anzugs- und Schlipsträger, finden sich zusammen, um mit Sabine und der Unterstützung ihrer eigenen Stimme einfache Rhythmen einzuüben. „Insbesondere als Teambuilding-Event kann TaKeTINa für große Unternehmen sinnvoll sein. Man hört, was passiert, wenn nicht aufeinander geachtet wird.“ Egal wie groß die Scheu und Unsicherheit zu Beginn vielleicht war, „am Ende stehen doch alle mit roten Bäckchen da, singen, haben Spaß und genießen die Verbundenheit mit den anderen“, weiß Sabine. Diesen Prozess zu durchleben und schließlich die Erfahrung zu machen, gemeinsam als großer Organismus zu erklingen, zu dem jeder seinen Teil beiträgt, machen den Reiz an TaKeTINa aus.

Die Musik in der Therapie

Nicht zuletzt wegen ihrer einschneidenden Lebenserfahrung interessierte sich Sabine zunehmend für die Musik im therapeutischen Kontext. Seit 21 Jahren arbeitet sie im ZIST, einer Akademie für Fortbildungen und Weiterbildungen im Bereich Psychotherapie, für angehende Psycholog*innen. Dort absolvierte sie auch eine Weiterbildung in Potenzialorientierter Psychotherapie bei Herrn Dr. Wolf Büntig, dem Leiter des ZIST. Die Potenzialorientierte Psychotherapie verfolgt einen humanistischen Grundgedanken. Es geht darum, sich nach dem innewohnenden Potential zu orientieren und sich nicht an den Defiziten aufzuhängen. „Das finde ich grundsätzlich einen schönen und wichtigen Ansatz. Ich gehe davon aus, dass im Problem die Lösung liegt und man alles Nötige mitbringt, um dieses Problem zu beheben.“ Bei campus naturalis ist Sabine seit etwa sechs Jahren in der musiktherapeutischen Grundlage, aber auch im pädagogischen Bereich als Rhythmuspädagogin tätig. „Die therapeutische Herangehensweise hat auch mir selbst sehr bei der Bewältigung geholfen“, sagt sie mit ruhiger Stimme und ergänzt: „Ich konnte am eigenen Leib erfahren, dass das, worüber in der Musiktherapie immer gesprochen wird, auch wirklich funktioniert.“

Musik statt Medikamente

Trotzdem sind musiktherapeutische Methoden innerhalb der psychotherapeutischen Behandlung eher die Ausnahme. „Die Musiktherapie ist bei den Kassen leider nicht anerkannt“, gibt sie zu verstehen. „Musik statt Medikamenten: das hat leider noch überhaupt keine Lobby.“ Und das, obwohl die Musiktherapie keineswegs in Konkurrenz zu der Gesprächstherapie steht. Insbesondere im klinischen Setting als auch in Pflegeeinrichtungen hat sich das gemeinsame Musizieren bewährt. Als nonverbaler Ansatz bietet sich die Musiktherapie als eine Ergänzung zur Gesprächstherapie an und schafft so Raum für neue Ausdrucksformen. „Es geht darum, wieder das Fühlen zu erlernen“, verdeutlicht Sabine. „Ganz vielen Patient*innen ist ihr Problem durchaus bewusst, aber das Sprechen darüber hilft nicht mehr weiter, dann eröffnen sich mithilfe der Musik neue Perspektiven.“ Auch denjenigen, die als medizinisch austherapiert gelten, könne die Beschäftigung mit der Musik einen neuen, bisher unbekannten Zugang ermöglichen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass das Musikmachen andere Areale im Gehirn stimuliert. Durch das Spielen von Rhythmen werden sogar neue Synapsen im Gehirn verbunden, erklärt sie uns.

Für wen ist die Musiktherapie geeignet?

„Musikalisch ausgebildet zu sein, steht der Musiktherapie eigentlich eher im Weg“, sagt Sabine und lacht. „Das Abliefern von etwas Einstudiertem, das reproduzierbar ist, ist das Gegenteil von dem, was man in der Musiktherapie erreichen möchte.“ Ziel sei es, das fachliche Spielen eines Instruments zu vergessen und einen authentischen, freien Ausdruck zu erlangen. „Es geht viel um die freie Improvisation, mit der sich insbesondere klassisch ausgebildete Musiker*innen schwertun.“ Auch sie selbst müsse sich immer wieder dazu ermahnen, musikalische Vorgaben zu vergessen.

Doch wie man es auch dreht und wendet: In der westlichen Welt scheint es nur zwei mögliche Szenarien für das gemeinsame Musizieren und Singen zu geben. „Entweder es passiert im Privaten oder es muss eben so gut sein, dass es auf der Bühne professionell vorgetragen wird“, kritisiert sie u.a. auch die musikalische Erziehung in der Schule. Aus dieser Zeit würden außerdem viele Menschen die Erkenntnis mitnehmen, sie seien nicht ausreichend musikalisch oder gar unbegabt. Ein Urteil, das vielen den Zugang und die Freude an der Musik lebenslang verhindert, meint Sabine. Insbesondere bei der Musiktherapie gehe es allein darum, das Gefühl, das man gerade empfindet, auszudrücken. „Das muss sich für Außenstehende absolut nicht schön anhören, das ist ein sehr intimer und spezieller Prozess.“

Was lerne ich in der Musiktherapie Ausbildung?

Die Musiktherapie Ausbildung bei campus naturalis ist keineswegs nur für Spezialisten gemacht. Mit einer Aus- und Weiterbildung im Bereich der Musiktherapie werden Teilnehmende auf die Arbeit als Kursleiter*in für klangtherapeutische Praktiken vorbereitet. Die Ausbildung ist tiefenpsychologisch fundiert, der Schwerpunkt liegt dabei im kreativ-musischen Prozess und orientiert sich an der Lehre C.G. Jungs. Innerhalb der Ausbildung wird mit leicht zu erlernenden Instrumenten sowie der Stimme gearbeitet. Ein hoher Praxisbezug, in enger Wechselwirkung zu wissenschaftlichen Modulen und weiteren Kreativverfahren, machen die Ausbildung an der Akademie aus. „Meine Leidenschaft ist das Kreativsein mit Musik, selber Dinge und musikalische Pattern zu entwickeln und aus vielen kleinen Sachen ein komplexes Ganzes entstehen zu lassen“, sagt Sabine. „Das ist meine Mission, zu zeigen, dass es da auch einen anderen Umgang mit Musik gibt, der auf der persönlichen Ebene sehr tief gehen kann.“

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