Queer im Job: Coming-Out am Arbeitsplatz?

Queer im Job: LGBTQI-Menschen werden am Arbeitsplatz häufig diskriminiert. Wir zeigen, wie Unternehmen ein LGBTQI-freundliches Arbeitsumfeld schaffen können.

Queer im Job: Coming-Out am Arbeitsplatz?

LGBTQI-freundliches Arbeitsumfeld schaffen 

Ehe für alle, geschlechterneutrale Stellenausschreibungen, gehisste Regenbogenfahnen und Vielfalt am Arbeitsplatz: Für homo- und bisexuelle sowie trans-, queer und intersexuelle Menschen (LGBTQI) scheint sich in den vergangenen Jahren einiges getan zu haben. Und doch sind sie vor Diskriminierung am Arbeitsplatz nicht gefeit. “Die sexuelle Orientierung hat am Arbeitsplatz nichts verloren”, werden Betroffene häufig konfrontiert. Nicht wenige sehen davon ab, sich im Job überhaupt zu outen. Sie fürchten sich vor Mobbing, Ablehnung und Diskriminierung. Im Pride Month Juni gehen wir dem Thema “Queer im Job” nach. 

Sabine ist vergangene Woche vom Urlaub zurückgekommen. Stolz berichtet sie im Büro von der tollen Zeit in Kroatien mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern. In der Pause zeigt sie den Kollegen Urlaubsfotos auf dem Smartphone, Bilder, auf denen die ganze Familie glücklich mit der Sonne um die Wette strahlt. Kollegin Michaela hält sich mit Kommentaren zurück. Erst kürzlich wurde sie von Sabine in die Schranken gewiesen, als sie von einem Konzert am Wochenende erzählte, das sie mit ihrer Lebensgefährtin besucht hat. “Sexuelle Orientierung hat hier nichts zu suchen”, hat sie Michaela angebäfft, aber wohl eher “Sexuelle Orientierung jenseits von Heterosexualität” gemeint. Denn indem Sabine vom Familienurlaub berichtet, Fotos von ihrem Mann und den Kindern zeigt, macht sie nichts anderes: Sie outet sich damit als heterosexuell – hält es aber für unangemessen, wenn manch andere ihre sexuelle Orientierung kundtun. 

Fast ein Drittel verschweigt am Arbeitsplatz die sexuelle Orientierung 

Situationen wie die im Büro von Sabine und Michaela sind keine Seltenheit. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und der Universität Bielefeld hat die Arbeitsmarktsituation von homo- und biosexuellen sowie trans- queer und intersexuellen (LGBTQI) Menschen in Deutschland untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst: 

  • Der Erwerbsstatus der LGBTQI-Befragten deckt sich meist mit dem der restlichen Bevölkerung. 

  • Die Qualifikationen sind jedoch deutlich höher als die der restlichen Bevölkerung. So verfügen 60 % der LGBTQI-Menschen über eine (Fach-)Hochschulreife – bei der restlichen Bevölkerung gleichen Alters liegt der Anteil bei 42 %. 

  • In manchen Branchen wie im produzierenden Gewerbe sowie in der Land- und Forstwirtschaft sind LGBTQI-Menschen unterrepräsentiert, im Sozial- und Gesundheitswesen dagegen anteilig mehr vertreten. 

  • Fast ein Drittel aller in der Studie Befragten gehen am Arbeitsplatz nicht offen mit der eigenen sexuellen Orientierung um. 

Ein Drittel trauen sich im Job nicht, zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen. Sie haben Angst vor fehlender Wertschätzung, Ausgrenzung, Mobbing, Schlechterstellung bei Beförderungen und Diskriminierung. Diese Angst kommt nicht von ungefähr: Die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts für Diversity- und Antidiskriminierungsforschung (IDA) geben an, dass nahezu drei Viertel der befragten Lesben und Schwulen sowie rund 96 % der bisexuellen und 83 % der Trans-Personen schon einmal wegen ihrer sexuellen Orientierung am Arbeitsplatz diskriminiert worden sind. 

Versteckspiel beeinflusst die Performance 

Mit einem Coming-Out warten deshalb viele entweder eine längere Betriebszugehörigkeit ab, um vom Arbeitsumfeld bereits als Mensch akzeptiert worden zu sein. Oder sie belassen es ganz damit. Doch genau dieses Versteckspiel ist für Betroffene schwierig. Es kostet Kraft und Energie, das Privatleben völlig zu verheimlichen, ein Doppelleben führen zu müssen – nur aus Angst vor Benachteiligung. Dieses Versteckspiel schlägt sich auf das Wohlbefinden am Arbeitsplatz aus und kann auch die Leistung negativ beeinträchtigen. Besser ist es daher, wenn Unternehmen und Organisationen eine diskriminierungsfreie Unternehmenskultur leben und fördern.  

In Zeiten von Fachkräftemangel können es sich Unternehmen kaum noch erlauben, auf die häufig sehr gut qualifizierten LGBTQI-Mitarbeiter:innen zu verzichten – besonders in Hinblick auf den Arbeitsmarkt der Zukunft: Umfragen zufolge fühlt sich jede sechste Person der Generation Z der LGBTQI-Gruppe zugehörig. Das Arbeitsumfeld muss also für queere Menschen attraktiver werden. 

Wie lässt sich ein queer-freundliches Arbeitsumfeld schaffen? 

Die Vorteile diverser Teams am Arbeitsplatz sind inzwischen bekannt. Deshalb wächst die Zahl der Unternehmen, die Vielfalt im Job gezielt fördern. So kommunizieren viele Unternehmen bereits in ihren Stellenausschreibungen, dass sie Vielfalt in jeglicher Hinsicht fördern. In größeren Unternehmen gibt es häufig Gleichstellungsbeauftragte als Anlaufstelle und Sprachrohr. Darüber hinaus können Unternehmen und Führungskräfte weitere Schritte unternehmen, um ein LGBTQI- freundliches Umfeld zu schaffen: 

  • Eine integrative Arbeitspolitik schaffen. 
  • In den Dialog mit Mitarbeitenden gehen, um zu informieren und Verständnis zu fördern. 
  • Unterstützende Anlaufstellen für LGBTQI-Mitarbeiter:innen initiieren. 
  • Diversity Workshops ins Leben rufen. 
  • LGBTQI-inklusiv zum Teil des Employer Brandings machen. 
  • Auf Anzeichen von Diskriminierung achten und konsequent dagegen vorgehen. 

Queer im Job – das ist in der Arbeitswelt 4.0 so normal wie die Digitalisierung. Dass Diskriminierung jeglicher Art am Arbeitsplatz überhaupt eine Rolle spielt, ist eher ein Armutszeugnis dessen, wie es um die Toleranz und Offenheit in der Gesellschaft steht. Diskriminierung kann jede:n treffen – und keine:r von uns fühlt sich in der Rolle des/der Betroffenen wohl. Sich das vor Augen zu führen und Menschen zu akzeptieren, wie sie sind, ist ein erster Schritt hin zu einer liberalen Gesellschaft und zu einem LGBTQI-freundlichen Arbeitsumfeld. 

#Autor#

Vanessa Schäfer

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Vanessa arbeitete fast 7 Jahre als Head of Content bei kursfinder.de. Als kreativer Kopf hat sie mit ihrem Redaktionsteam redaktionelle Beiträge und Reports erstellt. Außerdem versorgte sie die Nutzer:innen des Portals mit Lesestoff rund ums Thema Weiterbildung und Berufsalltag durch den kursfinder-Newsletter und war zuständig für die Pressearbeit. (weniger anzeigen)

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Vanessa arbeitete fast 7 Jahre als Head of Content bei kursfinder.de. Als kreativer Kopf hat sie mit ihrem Redaktionsteam redaktionelle Beiträge und Reports erstellt. Außerdem versorgte sie die Nutzer:innen des Portals mit Lesestoff rund ums Thema Weiterbildung und Berufsalltag durch den kursfinder-Newsletter und war zuständig für die Pressearbeit.

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